Hansenhaus Rechts - Gemälde

Hansenhaus Rechts - Gemälde
Hansenhaus Rechts zu Marburg an der Lahn ca. im Jahre 1897 - Gemälde von Friedrich (Fritz) Klingelhöfer (04.061832 - 09.11.1903) Marburger Landschaftsmaler - Bildarchiv Foto Marburg 221331

Mittwoch, 1. Juni 2016

Wie alles begann - Teil V

Oberhessische Blätter Nr. 18 vom Oktober 1933
200 Jahre Hansenhaus

Die Oberhessischen Blätter, eine Heimatbeilage der Oberhessischen Zeitung, veröffentlichten in der Nr. 18 im Oktober 1933 einen Artikel mit der Überschrift "200 Jahre Hansenhaus" über das Hansenhaus / die Hansenhäuser und deren Entstehung anlässlich des 200jährigen Jubiläums dieses.

Dieser Artikel hatte folgenden Wortlaut:

200 Jahre Hansenhaus

Marburg liegt inmitten einer durch mannigfache Schönheiten reich gesegneten Natur und ist umschlossen von schön bewaldeten, zum Teil ziemlich steil aufsteigenden Höhen, deren Abhänge fruchtbare Obsthaine, Gärten und Felder tragen. Zu dem seltenen Reichtum landschaftlicher Schönheit kommt eine Fülle geschichtlicher Erinnerungen, die sich an zahlreiche Stätten knüpft. Sie sind am besten zu überschauen vom Schloß aus, deren Südterrasse einen überraschenden Blick auf den südlichen Stadtteil, das Lahntal, mehrere Dörfer und Höhen gewährt und u. a. auch das Hansenhaus erkennen läßt, in hellem Farbton aus dem Grün der Umgebung hervorlugend. Es sind zwei Wirtschaften, die zu beiden Seiten der alten von Marburg nach Schröck führenden Straße, auf der Höhe des Kaff genannten kahlen Vorsprungs liegen.

Für die Häusergruppe links hat die älteste Lokalforschung den Namen Schweinsgrund festgestellt, der aber die hinter derselben beginnende abschüssige Talmulde samt deren in Feld, Wiesen und Gärten bestehenden Umgebung bezeichnete. Indessen ist vor einigen Jahren von Professor Stengel in Marburg das lange verschollen gewesene hessische Kartenwerk von J. G. Schleenstein wiederentdeckt worden, das aus den Jahren 1704 bis 1708 stammt und an der Stelle des heutigen Hansenhaus das Mückenhaus erkennen läßt, das demnach als der Vorläufer des Hansenhaus anzusprechen ist. 

Der erste Ansiedler auf dem Hansenhaus, Joh. Balthasar Schmenner, findet sich zuerst vor jetzt gerade zweihundert Jahren, 1733, unter den Steuerzahlern aus den benachbarten Hausdörfern (Marbach, Wehrda, Ockershausen und Cappel), die in der Gemarkung Marburgs begütert und als solche dahin steuerpflichtig waren. Er tritt zunächst auf unter den Steuerpflichtigen aus der Marbach und von 1735 am unter denen von Ockershausen mit der Bemerkung „ufm Berg“.

Um 1735 war die Oberfläche des Kaffs noch Staatseigentum und unbebaut, woselbst Johann Balthasar Schmenner sich wahrscheinlich Rottland erworben, dieses urbar gemacht und Wohnhaus und Scheune daneben erbaut hatte. Die Stadt Marburg gab noch einem Eintrag im Stadtprotokollbuch vom 6. November 1736 „dem Schmenner auf dem Kaff“ einen Acker auf drei Jahre in Leihe. Im Kamerarchiv, Pachtrepositur Marburg Nr. 11, stellte Geh. Archivrat Dr. H. Reimer die Bemerkung von 1743 fest: bey des Hanßen Haußes der Schweinsgrund: hier wird also zwischen beiden wohl unterschieden. 


Durch das jene Talmulde fortsetzende enge Tal windet sich der dem Lahnberg entspringende Zahlbach, der bei Weidenhausen sich in die Lahn ergießt. Infolge der durch die Anlage der Autostraße erfolgten Erweiterung des Platzes vor dem Gasthaus Zeiß wurde in diesem Jahre der Zahlbach in Rohre gefaßt und überdeckt. 

Ein zweiter Ansiedler „ufm Berg“ der noch eine höhere Steuerquote zahlte als der erste, namens Johann Wilhelm Schmenner, ist wohl der Erbauer des noch vorhandenen Wohnhauses, zu dem eine etwa 1880 abgebrannte und spätestens 1884 wieder aufgebaute Scheune gehörte. An Stelle des ersten Ansiedlers Johann Balthasar Schmenner kommt im Jahre 1750 zum erstenmal im Steuerregister sein Schwiegersohn Johannes Mengel vor. Zwei auf dem Marburger Rathaus geführte Eheprotokolle der beiden Kinder Mengels sind errichtet am 2. September 1773 und 15. Oktober 1776. Jeder der beiden Söhne des erwähnten zweiten Ansiedlers Johann Wilhelm Schmenners hieß Johannes. Ausweislich des Taufbuches der lutherischen Gemeinde Marburg wurde dem Johannes Schmenner dem Aelteren „auf dem Berg“ 1759 ein Sohn geboren und 1761 ein zweiter. Bevor Johannes Schmenner der Jüngere sich verheiratete, ließ er sich erst in die Bürgerschaft Marburgs aufnehmen. Darüber berichtet das Stadtprotokoll von Marburg mit den Worten: Den 10. Juli 1762 wurde Johannes Schmenner vom Schweinsgrund zum allhiesigen Bürger aufgenommen und verpflichtet. Eine im Stadtprotokoll eingeheftete Bescheinigung des Rentmeisters Duntz in Marburg vom 10. Juni 1762 bekundet, daß die Eltern des Johannes Schmenner junior auf dem Hansenhaus sich nicht in Leibeigenschaft befänden“.

 Nach den Marburger Bürgerlisten von 1781 bis 1800 war im Besitz des älteren Hofes „links, Johannes Schmenner, und in dem des anderen (rechts) Balthasar Mengel. Jener vergrößerte sein Haus durch einen Anbau; entdeckte man doch um 1869 bei baulichen Veränderungen die folgende in einem Balken über einer Türe eingeschnittene Inschrift:

Johannes Schmenner und seine Frau,
Anna Katharina, haben Gott getraut
und dieses Haus erbaut,
im Jahre 1783
 Im Anfang des vorigen Jahrhunderts machte ein Nachkomme des erwähnten Johannes Mengel hinter seinem Besitztum Hansenhaus links, die Weiße Mucke genannt, Lehmsteine. 

Die Schützengesellschaft hatte hier, wo jetzt das Forsthaus steht, im Jahre 1848 einen Scheibenstand; ebenso hatte von 1867 bis 1869 der Schützenverein drei Scheibenstände auf dem Hansenhaus. So zog dies herrliche Fleckchen Erde mit den beiden, einen großartigen Blick auf Marburg bietenden Gasthäusern schon lange Scharen von Besuchern an. 

Aber auch die Wissenschaft intereserte sich für die Vergangenheit der vielbesuchten Stätten, und in der Aprilsitzung 1885 des hessischen Geschichtsvereins in Marburg suchte Dr. von Knoblauch wahrscheinlich zu machen, dass das Hansenhaus der nach Marburg zu versetzte letzte Hof des ehemaligen Dorfes Arzbach bei Großseelheim sei. (Mitte 88/1885.) Dadurch fühlte sich wohl der Lokalhistoriker W. Bücking veranlaßt, in der Oberhessischen Zeitung vom 17. September 1885 die grundlegenden Daten über die Geschichte der Hansenhäuser zu veröffentlichen. Die Vermutungen über Arzbach wurden später wieder aufgenommen. Infolge Zeitungsberichten über Funde von Inschriftsteinen und Bauresten auf den Wiesen südlich Bauerbach unternahm der Marburger Geschichtsverein am 11. Oktober 1899 einen Ausflug zur Besichtigung der Fundstätte. Es ergab sich, daß es dabei nur um Gemarkungssteine aus jüngerer Zeit, dem 18. Jahrhundert, handelte. Und um die Grundmauern eines Hauses, das nach der Lage zu schließen das alte Teichwärterhaus gewesen ist. Denn das Wasser des Arzbach genannten Bächleins, das sich in der flachen Wiesenmulde von dem Lahnberg östlich zwischen Groß- und Kleinseelheim zur Ohm herabzieht, war früher im oberen Tal dieses Tales durch Querdämme zu einer Anzahl terrassenförmig übereinander gelegener Teiche aufgestaut, die ehemals dem Deutschen Orden gehörten. Die ganze Flur liegt in der Gemarkung des nächsten Dorfes Arzbach, an das heute noch der Bachname und der Waldort „Im Arzbach“ am obersten Ende der Mulde erinnern. Die spärlichen Grundmauerreste des Gebäudes ließen einen sicheren Schluß auf ihr Alter nicht zu.

 Zum Hansenhaus links gehörten im Jahre 1815 mehrere Wohnhäuser und eine Scheune, und man betrieb hier, wie auch rechts, bis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine kleine unbedeutende Wirtschaft, die dem Besucher höchstens einen Schnaps, ein Käsebrot oder im Sommer, wenn es gut ging, einen Topf saure Milch auftragen konnte. 


Hier wohnte um 1850 Johannes Schmenner, der mit seiner Frau, von der er im Jahre 1870 starb, in kinderloser Ehe lebte und einen größeren Besitz an Land, ebenso wie der Bewohner der rechten Häusergruppe, sein eigen nannte. Er verpachtete in seinen letzten Jahren die Wirtschaft an eine Frau Schoppen, deren Mann als Schlosser bei der Bahn tätig war, und nach dem Tode der Witwe Schmenner ging, wohl nachdem die Scheune am 9. März 1874 gänzlich abgebrannt und wieder aufgebaut worden war, der Besitz an Louis Schmenner über. Nach dessen im Jahre 1895 erfolgten Tode übernahm Ernst Herling das Anwesen und ließ die Wirtschaftsgebäude durch An- und Umbauten vergrößern und den Anforderungen der Zeit entsprechend ausstatten, bis der Gastwirt H. Schneider 1919 es erwarb, aber nach einigen Jahren einem im Weltkrieg erworbenen Leiden erlag, so daß dessen Witwe heute dem Betrieb vorsteht. 

Die Wirtschaft Hansenhaus rechts hatte um 1850 ein Mann namens Schmenner inne, der über fünfzig Jahre in der Niedereheschen Tabakfabrik tätig war und ein kleines Wohnhaus besaß, im unteren Stock das Wirtszimmer und dahinter die Küche bergend; daran war ein kleiner Stall angebaut. In dem 1850 angebauten kleinen Saal wurde Sonntags Tanzmusik abgehalten und von den damals hier liegenden bayrischen Exekutionstruppen viel besucht. Die Gastwirtschaft ist von dem jetzigen Besitzer F. Schmenner durch Umbauten vergrößert worden, so daß beide Hansenhäuser gern besuchte Erholungsstätten für Marburger und Fremde sind. H. B.


Anmerkung:
Der Verfasser dieses Artikels der Oberhessischen Blätter verfügte nicht über die heutigen Recherchemöglichkeiten wie Internet, digitalisierte Akten, Karten, Kirchenbücher und Personenstandsregister sowie für jedermann frei zugängliche Archive. Dadurch ist der Artikel aus heutiger Sicht teilweise fehlerhaft und deshalb in sich widersprüchlich.



Oberhessische Blätter Nr. 18 vom Oktober 1933: